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20 Jahre „Plattform“ in Walldorf

9. Dezember 2018 | > Walldorf, > Wiesloch, Allgemeines, Leitartikel, Photo Gallery, Politik

Zu einem Rückblick auf 20 Jahre „Plattform“ in Walldorf luden die Stadt Walldorf und die Evangelische Stadtmission gGmbH ein.

(bb) Seit kurzem residiert die „Plattform“, Anlaufstelle für Wohnsitzlose und Bedürftige, vorübergehend im Schlossweg 17 gegenüber der Feuerwehr, da das alte Gebäude am Edeka-Kreisel abgerissen wurde und damit Platz macht für das neue Gebäude am gleichen Standort. Dort werden dann die Plattform, die Kleiderstube Walldorf und die Tafel Walldorf unter einem Dach tätig sein.

Frau Bürgermeisterin Christiane Staab erklärte, sie sei froh über diese Interimslösung auf Zeit im Schlossweg in renovierten Räumen, die eine „Heimstätte“ für die Besucher sei.

Vor 20 Jahren haben sich verschiedene Gemeinden rund um Walldorf zusammengetan, um die Not der Wohnsitzlosen zu lindern, nicht nur durch kurzfristige Hilfe, sondern durch Schaffung einer gemeinsamen Struktur.

Herr Erster Beigeordneter Otto Steinmann betonte, die „Plattform“ sei eine Einrichtung der Stadt Walldorf, deren Angebot für die Bedürftigen auf drei Säulen ruhe: dem Essen, Duschen und Wäsche waschen, der Fachberatung und der Bereitstellung einer Notunterkunft als Erfrierungsschutz. Diese Notunterkunft  befindet sich im Adelsförster Pfad auf Wieslocher Gemarkung.
Die jetzige Interimslösung befinde sich in zentraler Lage und auch das neue Dreifach-Gebäude werde wieder zentral gelegen sein, denn bis zur Fertigstellung Ende 2019/20 werden rundum neue Baugebiete entstehen.

Auf die von Anfang an bestehende Kooperation mit Wiesloch wies Herr Ludwig Sauer, Bürgermeister von Wiesloch, hin. Die Städte sind sich ihrer Verantwortung bewusst, und es herrscht eine Kultur der Toleranz gegenüber den Bedürftigen.   
Um die Notunterkunft in Wiesloch kümmert sich ein engagierter Hausmeister, wie Herr Sauer mitteilt. Er ist nicht nur für das Gebäude zuständig, sondern hat auch jederzeit ein offenes Ohr für die Bedürftigen.
Wenn jemand im Winter einen Obdachlosen sieht, kann er ihn auf diese Notunterkunft hinweisen, die für Personen mit geringem Einkommen offensteht, wobei dort auch schon Flüchtlinge untergebracht wurden.

Frau Doris Schuppe vom Fachdienst Soziale Hilfen der Stadt Walldorf teilt mit, dass sich die Klienten in den letzten 20 Jahren geändert hätten. Es gibt nicht mehr so viele Durchreisende, sondern die Menschen seien sesshafter geworden. Die Erwartungen der Menschen und damit auch die Aufgaben der „Plattform“ haben sich geändert. Die Tagesstruktur wird geprägt durch Hauswirtschaftskräfte und Sozialarbeiter, die auf die notwendig gewordene geänderte Konzeption eingehen.

Frau Helene Wöllstein-Moser, Sozialarbeiterin in der „Plattform“, führt aus, dass die Zahl der Menschen, die eine bezahlbare Wohnung suchen, gestiegen sei. Auch hier hilft die „Plattform“, indem sie Wohnsitzlosen eine Briefkastenadresse zur Verfügung stellt, an die die Post von Behörden geschickt werden kann. Denn um Leistungen vom Arbeits- oder Sozialamt zu bekommen, sei eine Postadresse nötig, erklärt Frau Schuppe.

Frau Heidi Farrenkopf, Geschäftsführerin der Wiedereingliederungshilfe der Evangelischen Stadtmission gGmbH, ist dankbar für die lang währende Kooperation mit den beiden Städten Walldorf und Wiesloch, die Verantwortung übernehmen und das Projekt „Plattform“ finanziell unterstützen. Als niederschwelliges Hilfsangebot im Rahmen der „Plattform“ versucht die Wiedereingliederungshilfe, die Menschen in das Arbeitsleben zu vermitteln, damit sie wieder Fuß fassen können.

Herr Heinz Waegner, der Leiter der Fachberatung in der „Plattform“, ist ein Mann der ersten Stunde, wie er mitteilt. Er freut sich, dass die Kooperationen so lange anhalten und es ein „gutes Miteinander“ im Sinne der Klienten gebe.

Herr Gerhard Emig, stellvertretender Leiter der Fachberatung „Plattform“, teilt mit, dass bereits vor 25 Jahren eine flächendeckende Beratung für Wohnsitzlose begonnen habe. Vor 20 Jahren haben sich dann die Städte Walldorf und Wiesloch in Kooperation zu Gründung der „Plattform“ entschlossen.

Herr Steinmann bemerkte, dies sei eine bewusste Entscheidung beider Städte gewesen. Er fügte an, dass es neben den Hauptamtlichen auch viele ehrenamtliche Helfer – speziell aus den beiden Kirchengemeinden – gebe, die mit ihrem Einsatz z. B. in Ferienzeiten oder bei Personalengpässen, das Team der „Plattform“ unterstützen. Hierfür dankte er allen Ehrenamtlichen herzlich.
Vielen Menschen in Walldorf sei die „Plattform“ wichtig, so auch Frau Staab.

Herr Orhan Polat, Sozialarbeiter in der „Plattform“, bestätigte, dass für viele Menschen die „Plattform“ ein „Familienersatz“ sei; sie fänden hier Stabilität, Freude und Sicherheit. Auch er betonte die gute Zusammenarbeit mit den Behörden, u. a. der Agentur für Arbeit, der Caritas und dem Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises, das einen Teil der Kosten der „Plattform“ trägt.

Er teilt mit, dass im letzten Jahr 279 Personen die Hilfe der Fachberatung in der „Plattform“ in Anspruch genommen haben. Von diesen Personen waren 45 % im Alter von 18 bis 39 Jahren, 52 % ab 40 Jahre bis über 60 Jahre und 3 % (8 Personen) unter 18 Jahren. Das Verhältnis Männer/Frauen betrug 69 % zu 31 %.

Vor Beginn der Beratung waren 127 Personen ohne Unterkunft oder in ungesicherten Verhältnissen.  Von diesen 127 Personen konnten 19 Personen in Notunterkünfte und 8 Personen in stationäre Einrichtungen (Betreutes Wohnen oder Therapie) vermittelt werden. 22 Personen konnten in eine Mietwohnung einziehen.

Von den 279 Personen haben 41 Personen aus Notunterkünften der Gemeinden Wiesloch, Walldorf und Umgebung die Beratung und Begleitung durch die „Plattform“ in Anspruch genommen, entweder in der Fachberatung vor Ort oder im Rahmen des Streetworks. 2017 haben 185 Personen die Fachberatung zum ersten Mal aufgesucht.

Die Zahl der jährlichen Klienten ist von 139 Personen im Jahre 2008 auf 279 Personen im Jahre 2017 gestiegen.  

Eine interessante Ausstellung ist momentan in der „Plattform“ zu besichtigen. Selina Bührer, BA-Studentin der Sozialen Arbeit, die ihr Praxissemester im Wichernheim in Heidelberg absolviert, hat Lebensläufe wohnsitzloser Menschen und ihre Schicksalsschläge, Träume und Hoffnungen zusammengetragen und mit Fotos dieser Menschen ergänzt. Die beeindruckende Ausstellung heißt „Gesehen werden – Ein Einblick in meine Welt“. Sie ist die Würdigung der Personen, die eigentlich nicht gesehen werden wollen. Selina Bührer möchte „die Menschen sichtbar machen und einen Einblick in ihre Welt ermöglichen“.

Das Wichernheim in Heidelberg ist eine Einrichtung für Wohnungslose.
Gerhard Emig teilt mit, dass auch das Rhein-Neckar-Fernsehen im Wichernheim war. Die Sendung dazu läuft am 13.12.2018, 18:15 Uhr, im Campus-TV oder auch im RNF.
Wer die Ausstellung in der „Plattform“ besichtigen möchte, sollte sich vorher anmelden (Tel.: 06227-81 97 99 oder 35-1160).

Frau Bürgermeisterin Christiane Staab dankte allen Anwesenden für die gute Zusammenarbeit und ebenso allen Ehrenamtlichen, die sich für die „Plattform“ engagieren.

 

Auf dem Foto v.r.n.l.: Bürgermeisterin Christiane Staab, Erster Beigeordneter Otto Steinmann (hinten), Bürgermeister Ludwig Sauer, Helene Wöllstein-Moser, Heidi Farrenkopf, Orhan Polat (hinten), Doris Schuppe, Heinz Waegner, Gerhard Emig

Text und Fotos: BBinz

 

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