Begegnungen mit dem jüdischen Friedhof
von Peter Born
Einmal im Jahr können sich interessierte Bürger am „Europäischen Tag der Jüdischen Kultur“ auf Einladung der Stadt Wiesloch bei einem Besuch des jüdischen Friedhofs und der Gedenkstätte außerhalb der Umgrenzung einen Eindruck über jüdische Grabkultur sowie das Leben und Schicksal jüdischer Bürger in vergangenen Zeiten verschaffen.
Genügt es aber, einmal im Jahr ein Gedenken zu veranstalten, das möglicherweise an einem grauen, regnerischen Tag stattfinden muss und dort einer kleinen Schar von Interessierten nur die Tristesse eines alten, fast unzugänglichen und unbeachteten Friedhofs mit seiner fremden Kultur zeigen kann?
Sollte dieses Gedenken nicht intensiver und nachhaltiger sein? Und wäre es nicht wunderbar, den kleinen Friedhof mit sämtlichen Facetten seiner Existenz möglichst vielen Menschen durch eindrucksvolle Bilder jederzeit zugänglich zu machen?
So könnte der jüdische Friedhof einen neuen Stellenwert in Wiesloch erhalten, aus seinem Schattendasein heraustreten, von allen Bürgern beachtet und als bedeutendes kulturhistorisches Kleinod anerkannt werden.
Die Frage, ob ich dazu einige „Fotos mit künstlerischem Anspruch“ aus bestimmten Aufnahmesituationen aussuchen und veröffentlichen sollte, stellte sich mir bald nicht mehr, denn je öfter ich den Friedhof mit oder ohne Kamera besuchte, desto mehr wurde mir bewusst, dass dieser besondere Ort als Gesamtwerk betrachtet werden muss.
Mit dem Projekt „Der Jüdische Friedhof Wiesloch – Impressionen im Licht der Jahreszeiten“ möchte ich helfen, eine dauerhafte Erinnerung zu schaffen und gebe ihm passend dazu den Titel „Vergangen, nicht vergessen – Mitten unter uns“.
Fotografische Inspiration …
Mächtige Bäume strahlen goldfarben im Licht der Herbstsonne,
spät deckt der Winter sein weißes Tuch über frierende Erde.
Pflanzen und Blumen drängen im Frühjahr zu neuem Leben
bis gleißendes Sommerlicht durch das Laub bricht
und mit den Farben und Schatten alter Gräber spielt.
… und Motivation
Im Einklang mit der Natur lassen Licht und Schatten, Hell und Dunkel die Gräber und ihre Umgebung zu allen Jahreszeiten unterschiedlich erscheinen, von blassen und düsteren Wirkungen bis hin zu leuchtenden Farben inmitten saftigen Grüns und der großen Vielfalt blühender Pflanzen.
Dieser Ort der ewigen Ruhe, mit seiner Würde und seiner erhabenen, geheimnisvollen Schönheit, übt eine große Faszination aus.
Mitten unter uns längst Vergangenes, von den meisten unbemerkt, aber nicht vergessen. Ein wunderschönes und bedeutendes kulturhistorisches Kleinod in unserer Stadt.
Peter Born erzählt über sich:
Geboren im Jahr 1946 verbrachte ich meine Jugend in Walldorf. Nach dem Abitur am Wieslocher Gymnasium studierte ich in Heidelberg Physik und Mathematik. Meine berufliche Tätigkeit als Lehrer begann am Leibniz-Gymnasium in Östringen. Im Jahr 1979 nahm ich für fünf Jahre eine Stelle als Auslandsdienstlehrkraft an der Deutschen Schule Thessaloniki in Griechenland an.
Dort begann ich auch mit meinem fotografischen Schaffen. Besonders angetan hatte es mir die Mönchsrepublik Athos. Auf meinen Besuchen und Wanderungen konnte ich die einmalige Natur und das besondere Leben der Mönche in ihrer Abgeschiedenheit im Bild festhalten.
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland war ich an den Gymnasien in Weinheim und Eppelheim tätig, bevor ich im Jahr 2000 als Schulleiter an die Deutsche Schule Istanbul wechselte.
In meiner wenigen Freizeit nutzte ich jede Gelegenheit, um in der faszinierenden Metropole fotografisch festzuhalten, was sich in kürzester Zeit unwiderruflich veränderte. Die letzten vier Jahre meiner Dienstzeit verbrachte ich als Leiter der Internationalen Gesamtschule in Heidelberg.
In diesen Jahren lernte ich auch den Heidelberger Bergfriedhof kennen. Dort begann ich mit meinen Friedhofsaufnahmen, die ich nach meiner Pensionierung vertiefte und zu einem Projekt erweiterte.
Im Rahmen dieser Tätigkeit entdeckte ich auch den jüdischen Friedhof in Wiesloch, dessen geheimnisvolle, faszinierende Schönheit ich heute vorstellen möchte.
Peter Born, im April 2014
Fotoaufnahmen von Oktober 2012 – Januar 2014